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Gottfried Vossen - Meine Zeit als EMISA Sprecher (1994 - 2000)

Gottfried Vossen, Universität Münster

Ich bin seit über 20 Jahren Mitglied in der EMISA, war bzw. bin von 1991 bis 2003 und erneut seit 2007 Mitglied im Leitungsgremium dieser Fachgruppe und war von 1994 bis 2000 deren Sprecher. Als ich diese Rolle von Helmut Thoma übernahm, war die EMISA über 2.000 Mitglieder stark und nicht nur die älteste, sondern auch eine der größten GI-Fachgruppen; ersteres ist sie noch immer. Mitgliedschaft in einer Fachgruppe wie der unseren lebt von der aktiven Teilnahme ihrer Mitglieder, und ich habe während meiner Zeit Sprecher versucht, die Mitglieder der EIMSA stärker in die Aktivitäten der Fachgruppe einzubinden. Das ist mir bestenfalls zum Teil gelungen, aber kleinere Erfolge gab es zu verzeichnen:

Ich habe schon im Herbst 1994 zusammen mit meinem Münsteraner Kollegen Jörg Becker das gemeinsame Treffens der GI-Fachgruppen 2.5.2 EMISA und 5.2.1 MoBIS in Münster veranstaltet, das wohl eines der größten jemals abgehaltenen Fachgruppentreffen war. Daraus ist als nachträglicher Tagungsband sogar ein Buch entstanden mit dem Titel Geschäftsprozessmodellierung und Workflow-Management, und das war seinerzeit ein zentrales Thema der Forschung (und Entwicklung) um Bereich Informationssysteme. Das Web war zu dieser Zeit ja noch in den Kinderschuhen, so dass man hier noch nicht an Dinge wie Web-basierte Modellierungswerkzeuge oder Web-basierte Kollaborationsplattformen dachte, aber die Entwicklung „weg von lokalen Systemen als Insellösungen in spezifischen Applikationen hin zu globalen Systemen, welche miteinander interagieren und in Kürze keine räumlichen Grenzen mehr kennen werden“ (so schrieb ich in meinem ersten Editorial zum EMISA Forum, Heft 1/1995) war bereits deutlich zu erkennen.

Im Editorial zu Heft 2/1995 veröffentlichte ich dann eine „Hitliste“ der Themen, welche die Fachgruppenleitung damals für die aktuellsten für die EMISA hielt; die ersten 10 Plätze (von seinerzeit 24) belegten die Themen

  1. Modellierung in soziotechnischen Systemen
  2. Workflow-Management, Objekt-Orientierung
  3. Qualitätsgewährleistung und –sicherung
  4. Ausbildung für den Informationssystem-Entwurf
  5. Metamodelle und Metamodelleirung, Entwurf und Entwicklung verteilter, insbesondere föderativer Informationssysteme
  6. Natürlich sprachlicher Entwurf
  7. Geschäftsprozessmodellierung und Reengineering
  8. Entwicklung von Multimedia-Anwendungen
  9. Formale Spezifikation von Informationssystemen
  10. Informationssysteme im Internet, Requirements Engineering

Einige dieser Themen würde man heute nicht mehr unter den Top Ten nennen, und die Reihenfolge der Aktualität hat sich sicherlich auch verändert; dennoch ist die Mehrzahl dieser Themen nach wie vor aktuell und keineswegs „abschließend behandelt“. So war z. B. schon im Herbst 1995 das Fachgruppentreffen dem Thema Requirements Engineering gewidmet; heute kann man sich auf diesem Gebiet zertifizieren lassen, was die Bedeutung des Themas unterstreicht.

Spätestens ab 1996 nahmen Internet und Web einen immer breiteren Raum in der thematischen Arbeit der EMISA ein. Im Herbst 1996 war das Fachgruppentreffen Informationsservern für das Internet gewidmet; wir beobachteten im gleichen Jahr mit großem Interesse das Aufkommen von Java als neuer Programmiersprache und erlebten den allmählichen Einzug des Internet in den Büroalltag sowie in Deutschland das Entstehen des BMBF-Programms Schulen ans Netz. Die damals erkennbaren Entwicklungen haben sich innerhalb weniger Jahre in alle Bereiche unseres täglichen Lebens ausgebreitet; das von mir zusammen mit Hansjürgen Paul erneut in Münster veranstaltete Fachgruppentreffen im Oktober 2003 stand dann bereits unter dem Thema Auf dem Weg in die E-Gesellschaft. Im Kontext der von mir veranstalteten EMISA-Tagungen und –Workshops möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass auch die heute fest etablierte jährliche Querschnitts-Tagung zum Thema Modellierung 1998 in Münster als kleiner Workshop ihren Ursprung hatte. Die „Modellierung“ hatte das Ziel, „Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Modellierungsansätzen der beteiligten Fachgruppen herauszufinden“ (Editorial zum EMISA Form Heft 2/1998); diesem ist sie bis heute treu geblieben.

Bereits im Editorial zum EMISA Forum 2/1996 habe ich angefangen, Surf-Tipps für das Web zu geben. Ich war damals gerade wieder ein paar Monate in Kalifornien gewesen und hatte mit ansehen müssen, wie dort bereits mit der für uns noch recht neuen (und für den Privathaushalt teuren) Technik umgegangen wurde. Ich habe diese Tipps einige Zeit später dann aber in ein Format gegossen, dass es heute noch gibt: Nunmehr im 11. Jahr (seit dem EMISA Forum Heft 1/2000) schreibe ich eine regelmäßige Kolumne im EMISA-Forum mit dem Titel „Für Sie gesurft“, an der sich einige Stationen der Entwicklung des Webs ganz gut nachverfolgen lassen. In der ersten Ausgabe wurde u. a. die Seite sunsite.informatik.rwth-aachen.de/Societies/GI-EMISA/ beschrieben, unter der die EMISA bis heute zu erreichen ist. Andere damals genannte Seiten wie www.arsdigita.com/ oder www.gifworld.com sind längst verschwunden oder ersetzt, wieder andere wie www.vldb.org oder www.stadtplan.net haben sich zu wertvollen Nachschlageseiten entwickelt. Wie ein roter Faden hat sich das Thema Suchen durch viele Ausgaben dieser Rubrik gezogen, denn neben Google gab und gibt es stets eine Vielfach von Ansätzen und Ideen, das Suchen im Internet so zu verbessern, dass die Intention des Nutzers noch genauer getroffen wird. Google selbst wurde in der zweiten Ausgabe der Kolumne erwähnt (EMISA Forum Heft 2/2000), aber zu der Zeit war der „Streit“, ob (freies) Suchen oder (vordefinierte) Portale der bessere Weg ins Web seien, der ja auch die Geschichte von Google und Yahoo! Von Anfang an begleitet hat, in vollem Gange. Dort war auch bereits vom Anonymisieren die Rede, von der Meinungsbildung im Internet (www.epinions.com), von Werkzeugen für den Bau von Web-Shops und von den Anfängen von XML (ja, auch dieses Sprachkonzept ist noch nicht sonderlich alt); Tim O’Reilly dachte bereits über das Verlegen elektronischer Bücher nach.

Vieles davon ist bis heute geblieben, wenn auch innerhalb von 10 Jahren in völlig veränderter Form (an Smartphones dachte ja noch niemand, wenngleich erste Browser für Handys gerade verfügbar wurden), aber ich denke, der EMISA ist es gelungen, diese Entwicklungen angemessen zu begleiten, zu kommentieren, zu hinterfragen und einer breiten Fach-Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In diesem Sinne gratuliere ich zum 30. Geburtstag und hoffe auf viele weitere fruchtbare Jahre.