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Georg Lausen - Meine Zeit als EMISA Sprecher (1987 - 1990)

Georg Lausen, Institut für Informatik, Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg

Seit wann ich Mitglied bin, kann ich nur in so weit rekonstruieren, dass ich von Juni 1987 bis Dezember 1990 Sprecher des Leitungsgremiums war und bis Dezember 1992 einfaches Mitglied im Leitungsgremium. Man kann daraus schließen, dass ich damals selbst ein bisschen überrascht war, zu der Ehre des Sprecherseins zu kommen, wo mir doch offensichtlich die EMISA-Historie fehlte. Ich will versuchen, dies rückblickend zu erklären in der Hoffnung, die damaligen Realitäten hinreichend korrekt wieder zu geben.

Entwicklungsmethoden für Informationssysteme und deren Anwendung ist damals so wie heute eine sehr weit gefasste Thematik, die Methoden des Einsatzes in der Praxis genauso wie formale Methoden im Bereich der Theorie umfasst. Die von EMISA 1979 in Tutzing ausgerichtete GI-Fachtagung Formale Modelle für Informationssysteme (Informatik-Fachberichte 21, Springer-Verlag) unterstreicht deutlich die thematische Breite. Schaut man sich die Themen der Beiträge und die Forschungsgebiete der Autoren und Autorinnen genauer an, so kann man feststellen, dass einmal das Wort „Formal“  ernst genommen wurde – einige Autoren und Autorinnen würde ich bedenkenlos der Theoretischen Informatik zuordnen, aber auch die Praxis mit Beiträgen gut vertreten war, die man heute im Bereich der Wirtschaftsinformatik sehen würde. Meine beiden Vorgänger im Sprecheramt, Heinrich C. Mayr und Bernd E. Meyer, beide Editoren des Bandes, haben so das generelle Spektrum von EMISA bleibend schön dokumentiert. Als die beiden EMISA-Gründer sich aus dem Leitungsgremium zurück zogen war nicht klar, in welche Richtung es weitergehen sollte - mehr Theorie- oder mehr Praxisbezug? Mit meiner Historie als Diplom-Wirtschaftsingenieur und langjähriger Arbeit am Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB) der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Karlsruhe (TH) und  einigen Arbeiten zu formalen Entwurfsmethoden für Informationssysteme und auch zu deren praktischen Umsetzung  war ich dann wohl ein geeigneter Kompromisskandidat, dem man zutraute, beide Schienen von EMISA weiter zu pflegen und auszubauen.

Was ist dann in meiner Amtszeit passiert?  In Tutzing fand 1988 der Workshop Der Weg zum Modell beim Entwurf von Informationssystemen statt;  Beiträge gingen über formale Methoden, Terminologie, Sprachpragmatik, Teilautomatisierung der Modellierung bis hin zu KI-Methoden der Modellierung. Im Mitteilungsblatt Heft 12 findet man mehr zu diesem Workshop. Das Spannungsfeld zwischen Wissensrepräsentationstechniken der KI und Entwurfsmethoden für Informationssysteme auszuloten wurde dann der eigentliche Schwerpunkt meiner Amtszeit. Viele Entwicklungen in der KI, den Datenbanken und den Informationssystemen und auch den Programmiersprachen haben sich damals überlappt, ohne dass immer ernsthaft versucht wurde, sich gegenseitig zu verstehen oder überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Für den Bereich der Wissensrepräsentation und Modellierung wollte EMISA hierzu einen Beitrag leisten. Zusammen mit der GI-Fachgruppe 1.1.4 Knowledge Representation wurde eine Workshop-Reihe Information Systems and Artificial Intelligence ins Leben gerufen, innerhalb der dann 1990 in Ulm, 1992 in Ulm und 1994 in Hamburg Workshops abgehalten wurden (Lecture Notes in Computer Science 474 und 777, Informatik-Fachberichte 303, Springer-Verlag). In diesen Workshops boten sich vielfältige Chancen zu Diskussionen, insbesondere zwischen Vertretern der Beschreibungslogiken auf der einen Seite und Vertretern der Logikprogrammierung und konzeptuellen Datenmodellierung auf der anderen Seite. Aus heutiger Sicht sind einige dieser Diskussionen nach wie vor aktuell. Im Raume stand unter anderem die Frage nach der Möglichkeit einer Integration von Beschreibungslogiken und Regeln deduktiver Datenbanken, die erst in den letzten Jahren, mehr als 10 Jahre später, im Zuge der steigenden Popularität des Semantic Web mit Nachdruck und zielgerichtet weiter geführt wurde, gut dokumentiert in den W3C-Recommendations zu OWL, RDF und RIF.

Meine Amtszeit endete bereits 1990, so dass diese Entwicklung zwar unter dem Dach der EMISA lief, aber sicher nicht als Hauptanliegen gesehen werden kann. Helmut Thoma, mein Nachfolger, setzte EMISA dann wieder richtig auf die Spur und legte so die Basis für das weitere, hoffentlich noch lange dauernde erfolgreiche Leben dieser spannenden, nach wie vor die Theorie inspirierende und der Praxis nützende Fachgruppe der GI.

Freiburg i.Br,  im Juli 2010

Georg Lausen