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Die EMISA wird 30 Jahre

Liebe Fachgruppenmitglieder,

als eine der ersten Fachgruppen der GI hat die EMISA die fast unglaublich anmutenden Entwick-lungen der Informatik über nunmehr 30 Jahre begleitet. Die Veränderungen könnten größer kaum sein. Wenn wir Dokumente aus den ersten Jahren der EMISA ansehen, wird diese Entwicklung offenkundig. Wir finden mit Schreibmaschine geschriebene Beiträge, bei denen die Formeln handschriftlich hinzugefügt wurden. Viele von uns erinnern sich noch an diese Zeit, als Schreiben ein aufwändiger und zeitraubender Akt war. Die Kommunikation fand durch Briefe statt, häufig noch handgeschrieben. Kommunikation hat sich revolutioniert. Zunächst durch E-Mail, seit kurzem durch Microblogging-Dienste, von denen man heute sagt, sie hätten das Potenzial, E-Mail abzulösen. Doch erinnern wir uns erst einmal an das wissenschaftliche Tagesgeschäft in der Frühzeit der EMISA.

Ein Beitrag zu einer Konferenz war damals nicht dadurch eingereicht, dass man ein PDF-Dokument auf eine Webseite hochlädt. Man feilte bis zur letzten Sekunde an dem Text (und den Formeln!), kopierte ihn dann fünf mal, tütete die Dokumente ein, um den Beitrag vor Schließung der Postfiliale dort abzugeben. Nur wenn der richtige Poststempel auf dem Umschlag erschien, war eine Einreichung möglich. Zur Begutachtung wurden die Kopien an die Fachexperten gesendet, die ihre Gutachten in Briefen formulierten und dem Vorsitzenden des Programmkomitees zukommen ließen. Häufig traf sich das Komitee, um auf einer Sitzung über das Programm zu beraten.

Und heute? Der Einreichungs- und Begutachtungsprozess wird durch Internet-Plattformen wie Easychair unterstützt. Autoren laden ihre Einreichungen hoch, Fachkollegen erstellen nicht nur ihre Gutachten online, sondern diskutieren sie und konsolidieren sodann ihre Einschätzungen. Face-to-face Sitzungen des Programmkomitees werden nur noch bei wenigen Konferenzen durchgeführt. Die Endversionen der angenommenen Papiere werden hochgeladen und gehen, natürlich auf elektronischem Weg, zum Verlag. Aus prozessorientierter Sicht eine massive Verbesserung der Abläufe durch Informationstechnik!

Man sollte meinen, durch diese Effizienzsteigerung hätte man nun mehr Zeit für die eigentliche fachliche Arbeit, also für Forschung, Lehre und das Schreiben und Begutachten von Fachbeiträgen. Das wäre auch so, wenn die Anzahl der Workshops und Konferenzen stabil bliebe. Nun, wie wir alle wissen, ist dies nicht der Fall. Wir sehen uns nicht nur einer Informations-, sondern auch einer Publikationsflut ausgeliefert. Immer wieder gibt es neue Workshops, Nischen für wissenschaftliche Arbeiten entstehen, Beiträge über Beiträge werden geschrieben und publiziert. Wir implementieren Moore’s Law der Wissensgesellschaft. Dieses Szenario aus dem Hochschulbereich wird vielen von Ihnen bekannt vorkommen, aber im industriellen Kontext sieht es nicht anders aus, zumal hier der Termindruck häufig massiver ist und zudem ständige Erreichbarkeit erwartet wird.
Als noch signifikanter könnte sich die ständige Erreichbarkeit und die Kommunikationsflut entpuppen, derer wir uns heute ausgesetzt sehen. Unsere Studierenden wachsen mit Sozialen Netzwerken wie facebook und Microblogging-Diensten wie twitter auf, man ist buchstäblich zu jedem Zeitpunkt Teil seines elektronischen sozialen Netzwerks. Bislang musste man wissen, wer sich mit einem Spezialthema auskennt, um ihm oder ihr eine Email zu schicken und am nächsten Tag eine Antwort bzw. den Verweis auf eine Person, die es wissen könnte, zu erhalten. Heute schickt man eine Anfrage an seine facebook-Gruppe oder „zwitschert“ sie in die Welt  hinaus, um nach kurzer Zeit eine Antwort zu bekommen. (Diese wurde wohl von den Studierenden gesendet, die der Vorlesung nur in Teilen folgen, während sie Fragen auf facebook ständig lesen, filtern und beantworten.)
Aber natürlich war früher nicht alles besser. Wir alle leben von und mit der technologischen Entwicklung und freuen uns an einfacher Kommunikation mit Kollegen und Freunden weltweit. Aufregende neue Anwendungen erleichtern uns den Alltag. Die sinnvolle Nutzung der Medien muss als wichtige Aufgabe angesehen werden. Ausbildung ist hier das zentrale Thema – am lebenslangen Lernen führt heute kein Weg vorbei, soll die kulturelle mit der technologischen Entwicklung Schritt halten.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist es erstaunlich, dass die zentralen Fragestellungen der EMISA heute so aktuell sind wie sie es vor 30 Jahren waren und damals Personen um Heinrich C. Mayr zur Gründung unsere Fachgruppe bewogen haben. Natürlich haben sich seit dem nicht nur die Informationssysteme und deren technologische Realisierung geändert (obwohl wie wir wissen Software viel dauerhafter als Hardware ist und an den zentralen Stellen heute noch Software läuft, die dreißig Jahre und mehr auf dem Buckel hat!), sondern auch die Methoden zu ihrer Entwicklung. Die EMISA hat diese Entwicklung dauerhaft begleitet und wird dies auch weiterhin tun.

Mathias Weske und Manfred Reichert